Zwangsvollstreckung – Chancen und Risiken für Gläubiger und Schuldner

Die Zwangsvollstreckung verfolgt das Ziel, einen Schuldner zur Zahlung einer offenen Forderung zu bewegen. Zu den Möglichkeiten des Gläubigers zählen Pfändungen von Lohnzahlungen, Kontoguthaben oder Sachwerten. Um Informationen über die Vermögenswerte des Schuldners zu erhalten, kann er den Schuldner zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung ermahnen. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, hat der Gläubiger die Möglichkeit, Erzwingungshaft zu beantragen.

Im schlimmsten Falle erfolgt die Verhaftung des säumigen Zahlers. Eine Inhaftierung von bis zu einem halben Jahr ist statthaft. Dem Schuldner stehen zwei Optionen offen, um die Haft abzuwehren: Er begleicht die offenen Schulden oder er gibt eine Vermögensauskunft ab. In beiden Fällen wäre die Haft umgehend aufgehoben.

Voraussetzungen und Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung

Wann kann der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung einleiten?

Die Einleitung einer Zwangsvollstreckung ist ausschließlich für Gläubiger möglich, die im Besitz eines vollstreckbaren Titels sind. Liegt ein solcher Titel vor, kann die Vollstreckung über einen Zeitraum von 30 Jahren betrieben werden. Behörden, die mit der Eintreibung offener Forderungen betraut sind, benötigen keinen Vollstreckungstitel. Die Zwangsvollstreckung wird direkt nach einer Mahnung betrieben. Finanzämter, Städte und Gemeinden sowie der Zoll sind berechtigt, eine Zwangsvollstreckung direkt einzuleiten. Hat der Schuldner offene Forderungen aus Bußgeldern, Steuerschulden oder Gebühren, ist eine Vollstreckung direkt im Anschluss an das Mahnverfahren möglich. Wer eine Vollstreckungsankündigung erhält, sollte sofort handeln.

Hinweis
Viel diskutiert ist die Frage um eine zulässige Zwangsvollstreckung bei Verweigerung oder Zahlungsausfall der Rundfunkgebühren, ehemals als GEZ bezeichnet. Die Eintreibung von Außenständen der Rundfunkgebühren erfolgt in den Bundesländern individuell. In einem aktuellen Fall wurde im Tübinger Landesgericht entschieden, dass Rundfunkanstalten keine Vollstreckungsbescheide erlassen dürfen. Es gilt, einen gerichtlichen Titel zu erlangen, bevor ein Schuldner zwangsvollstreckt werden darf. 

Zwangsvollstreckung
Alle Infos zur Zwangsvollstreckung

Wie geht der Gläubiger bei einer Zwangsvollstreckung vor?

Dabei gehen die Behörden den gleichen Weg wie ein Gläubiger, der einen Vollstreckungstitel erwirkt hat. Die Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme erfolgt ohne Kenntnis des Schuldners. Durch diese Maßnahme wird verhindert, dass der Schuldner Geld oder pfändbare Vermögenswerte beiseite schafft. Der Schuldner wird von den Maßnahmen erst nach deren Einleitung unterrichtet. Grundsätzlich gilt, dass jede Maßnahme zur Zwangsvollstreckung sofort gestoppt wird, sobald die offene Forderung bezahlt ist. Der Gläubiger entscheidet, welche Art der Vollstreckung zum Einsatz kommt.

Verfahren der Lohnpfändung

Wann ist eine Pfändung des Lohns erlaubt?

Die Lohnpfändung ist bei Gläubigern beliebt und häufig das Mittel der ersten Wahl. Sie ist möglich, weil der Arbeitgeber als Drittschuldner zur Zahlung verpflichtet ist. Der offene Betrag wird vom Lohn oder Gehalt des Schuldners abgezogen. Die Differenz wird dem Schuldner ausgezahlt. Dieser hat keine Chance einer berechtigten Lohnpfändung zu entgehen, da die finanzielle Lebensgrundlage bestehen bleibt. In der Pfändungs-Tabelle ist festgelegt, wie hoch der unpfändbare Betrag ist.

Wie hoch ist der maximal pfändbare Betrag vom Vermögen?

Bei der Höhe des Pfändungs-Betrags handelt es sich um einen individuellen Betrag. Dieser ist abhängig von der Anzahl der im Haushalt des Schuldners lebenden Personen sowie von Unterhaltspflichten. Nur der Betrag, der den persönlichen Freibetrag übersteigt, ist pfändbar. Wenn die Summe nicht ausreicht, um die Pfändung in einem Betrag zu begleichen, wird sie Monat für Monat an den Gläubiger bezahlt. Dies wird solange durchgeführt, bis die Schuld beglichen ist. Bei hohen Schulden und niedrigem Einkommen kann dieser Prozess mitunter über Monate oder Jahre andauern. Für die Wege es aus der Überschuldung gibt es verschiedene Alternativen.

Kontopfändung bei einem Mahnverfahren

Wann wird im Rahmen einer Vollstreckung die Pfändung des Kontos durchgeführt?

Eine Kontopfändung verläuft ähnlich wie die Lohnpfändung. Sämtliche Konto- und Sparguthaben werden eingefroren und nach Ablauf von vier Wochen an den Gläubiger überwiesen. Bei der Kontopfändung ist der persönliche Freibetrag des Schuldners zu berücksichtigen, der sich aus den Pfändungstabellen ergibt. Zur Pfändung steht lediglich das Guthaben zur Verfügung, das den Freibetrag übersteigt. Wird Guthaben, das innerhalb der Freigrenzen liegt, innerhalb eines Monats nicht verbraucht, hat die Bank das Recht, es zu pfänden und an den Gläubiger zu übertragen.

Pfändung anderer Vermögensrechte

Kann das zu erwartende Vermögen gepfändet werden?

Hinter diesem juristischen Begriff verbirgt sich die Pfändung in Eigentum, das zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung steht. Ein klassisches Beispiel ist das kreditfinanzierte Fahrzeug, das nach erfolgreicher Ablösung des Kredites gepfändet werden kann.

Zwangsversteigerung von Grundbesitz

Unter welchen Umständen kann eine Zwangsversteigerung des Grundbesitzes initiiert werden?

Die Zwangsvollstreckung wird betrieben, wenn der Schuldner Haus- oder Grundbesitz als Vermögen hat. In der Praxis gestaltet sich dieser Prozess rechtlich mühsam. Grundsätzlich hat eine verhältnismäßige Pfändung zu erfolgen. Dies bedeutet, dass eine Zwangsvollstreckung in der Regel nicht eingeleitet werden kann, insofern die Schulden geringer sind als der Wert des Hauses.

Mehrere Pfändungs-Verfahren: An wen zahle ich zuerst?

Die Rangliste der Schuldner ist relevant. Wird ein Bankkredit bedient, der im Grundbuch an erster Stelle steht, ist eine Kreditkündigung in der Regel nicht möglich. Die nachfolgenden Gläubiger hätten in diesem Fall das Nachsehen. Erfolgt eine rechtmäßige Zwangsvollstreckung aufgrund hoher Schulden oder Kreditrückstände für die Hausfinanzierung, verkauft das Amtsgericht die Immobilie an den Meistbietenden. Der Erlös wird unter den Gläubigern verteilt. Den Rest bekommt der Schuldner ausbezahlt.

Tipp
Ein Verkauf des Hauses bringt in den meisten Fällen einen höheren Erlös als die Zwangsvollstreckung. Der Verkauf sollte in Erwägung gezogen werden, solange es noch möglich ist. 

Sachpfändung als Form der Vollstreckung

Welche Gegenstände und Sachen sind unpfändbar?

Die Sachpfändung erfolgt nach einer Begehung der privaten oder gewerblichen Räume des Schuldners. Alle Gegenstände, die nicht zu einer bescheidenen Lebensführung gehören, sind pfändbar. Mit den unpfändbaren Gegenständen trotz Vollstreckungstitel beschäftigen sich die Gerichte regelmäßig. Dazu gehören unter anderem:

Überblick unpfändbarer Sachen

  • Fernsehgerät
  • Möbel
  • Küchengeräte
  • Waschmaschine
  • Radio
  • Gegenstände, die für die berufliche Tätigkeit benötigt werden (PC, Laptop, Handy)

Die gepfändeten Gegenstände werden mit einem Siegel, dem sogenannten Kuckuck, beklebt. Nach der Abholung erfolgt der Verkauf und die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger.

Austauschpfändung – Vollstreckung durch austauschbare Produkte

Wie verläuft eine Austauschpfändung bei einer Zwangsvollstreckung?

Bei der Austauschpfändung wird ein wertvoller Gegenstand gegen das gleiche Produkt mit geringerem Wert ausgetauscht.

Ein Beispiel: Der Schuldner fährt ein teures Auto, das nicht mit einem Kredit belegt ist. Er benötigt das Fahrzeug, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Somit ist das Auto nicht pfändbar. Eine Austauschpfändung ist in diesem Fall möglich. Der Gerichtsvollzieher pfändet den Wagen und stellt dem Schuldner ein Auto mit geringerem Wert zur Verfügung. Der teure Wagen wird verkauft und der Erlös zur Schuldentilgung eingesetzt.

Taschenpfändung – Pfändung von beweglichen Wertgegenständen durch den Gerichtsvollzieher

Wie verläuft eine Taschenpfändung bei einer Zwangsvollstreckung?

Bei einer Taschenpfändung inspiziert der Gerichtsvollzieher das Portemonnaie, die Handtasche oder die Jackentasche des Schuldners. Wertvolle Gegenstände oder größere Mengen Bargeld nimmt der Gerichtsvollzieher an sich.

Wichtig zu wissen: Die Taschenpfändung stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Sie wird bei männlichen Schuldnern von einem Mann und bei weiblichen Schuldnern von einer Frau durchgeführt.

Abgabe einer Vermögensauskunft

Welche Informationen erhält der Gläubiger durch die Vermögensauskunft?

Die Auskunft über das Vermögen gibt dem Gläubiger einen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Schuldners. Sie wurde lange als Eidesstattliche Versicherung bezeichnet, da der Schuldner unter Eid versichert, richtige Angaben gemacht zu haben. Durch die Vermögensauskunft erlangt der Gläubiger viele Erkenntnisse, die für die Zwangsvollstreckung verwendet werden können:

Inhalt einer Vermögensauskunft

  • Konten, die vom Schuldner geführt werden
  • Arbeitgeber
  • Haus- und Grundbesitz
  • Vermögenswerte wie Auto, Schmuck, Antiquitäten etc.
  • Mieteinnahmen und Nebeneinkünfte

Wichtig zu wissen
Bei falschen Angaben droht eine Haftstrafe, da es sich um einen Meineid handelt.

Ursachen für eine Zwangsvollstreckung

Welche Schulden können zu einer Zwangsvollstreckung führen?

Die Ursachen für eine Zwangsvollstreckung sind vielschichtig. Unterschieden wird zwischen einer Behörde und anderen Gläubigern. Behörden benötigen keinen Vollstreckungstitel, während andere Gläubiger eine Zwangsvollstreckung ohne Titel nicht betreiben können. Privaten Schulden aus unbezahlten Rechnungen geht in der Regel eine Gerichtsverhandlung oder ein außergerichtliches Mahnverfahren voraus. Weitere Schulden, die zu einer Zwangsvollstreckung führen können sind:
Mögliche Gründe für einen Vollstreckungstitel

  • Steuerschulden
  • GEZ-Schulden
  • unbezahlte Bußgelder
  • Schulden bei Gerichten oder Landesjustizkassen
  • Forderungen der Hauptzollämter
  • unbezahlter Kindesunterhalt

Wichtig zu wissen
Behörden sind verpflichtet, eine Mahnung zu schicken. Sie haben auf die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung hinzuweisen, wenn die Forderung nicht rechtzeitig beglichen wird. 

Wann die Zwangsvollstreckung unrechtmäßig ist

Welche Maßnahmen sind im Rahmen einer Zwangsvollstreckung rechtswidrig?

Forderungen der Behörden haben Rechtskraft, wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist. Die Einleitung der Zwangsvollstreckung liegt im Ermessen der Behörde. Der Schuldner hat somit keine rechtliche Handhabe. Anders sieht es bei privaten Schulden aus. Hat der Gläubiger keinen Titel, ist die Zwangsvollstreckung unzulässig. Einschüchterungen und Drohungen von Inkassoinstituten fallen rechtlich unter die Nötigung und können zur Anzeige gebracht werden.

Wichtig zu wissen
Vorsicht bei außergerichtlichen Mahnverfahren! Einem Mahnbescheid muss innerhalb von zwei Wochen widersprochen werden. Andernfalls erfolgt der Erlass eines Vollstreckungsbescheids. Wird diesem nicht widersprochen, ist die Forderung rechtskräftig. Die Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung gilt als gegeben, wenn die Forderung nicht rechtmäßig ist.

Klage ohne Zahlungsaufforderung

Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um eine Klage einzureichen?

Bevor die Einreichung einer Klage zulässig ist, hat der Gläubiger das Mahnverfahren durchzuführen und nachzuweisen. Andernfalls wird das Gericht der Klage nicht stattgeben.

Achtung
Einen Mahnbescheid kann der Gläubiger jederzeit ohne Mahnverfahren beantragen. Die Rechtskraft tritt automatisch ein, wenn der Schuldner nicht innerhalb der Frist widerspricht. So gelangen Inkassoinstitute und andere private Gläubiger einfach und schnell zu einem Titel, der oftmals eine Zwangsvollstreckung nach sich zieht.

Ab welchem Zeitpunkt darf eine Zwangsvollstreckung veranlasst werden?

Der Gläubiger hat das Recht, Schulden zwangsweise einzutreiben, wenn er im Besitz einen Titels ist. Der Titel ist 30 Jahre gültig. Wann der Gläubiger die Maßnahmen einleitet, liegt in seinem Ermessen.

Ablauf einer Zwangsvollstreckung

Wie verläuft die Zwangsvollstreckung?

Wird eine offene Forderung nicht bezahlt, leitet der Schuldner nacheinander folgende Maßnahmen ein:

  • Zahlungserinnerung
  • Mahnverfahren (bis zu drei Mahnungen)
  • Erstellung eines Vollstreckungsbescheids (Behörde) oder
  • Erwirkung eines Titels (nicht behördliche Gläubiger)
  • Einleitung einer Zwangsvollstreckung

Wichtig zu wissen
Der Gläubiger hat die Möglichkeit, mehrere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, um das Geld zu erhalten. Dabei hat er jedoch die gesetzlichen Vorschriften zu beachten. Folglich ist eine gleichzeitige Lohn- und Kontopfändung durch einen Gläubiger nicht erlaubt. 

Hilfe bei Pfändungs-Verfahren: Widerspruch und Fristverlängerungen

Kann Widerspruch gegen eine Zwangsvollstreckung eingelegt werden?

Ein Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung ist in der Regel nicht möglich, da die Vollstreckungsmaßnahmen erst greifen, wenn sämtliche Widerspruchsfristen abgelaufen sind. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung durch eine Verlängerung der Zahlungsfrist oder durch eine Ratenzahlung abzuwenden. Es liegt im Ermessen des Gläubigers, sich darauf einzulassen. Einen Rechtsanspruch hat der Schuldner nicht.

Versuch der Abwendung einer Zwangsvollstreckung

Kann eine Vollstreckung abgewehrt werden?

Schuldner haben die Möglichkeit, eine Vollstreckungs-Abwehrklage einzureichen. Dieses Verfahren hat in wenigen Fällen Aussicht auf Erfolg. Schuldner, die eine solche Klage in Erwägung ziehen, brauchen die Unterstützung eines versierten Rechtsanwaltes.

Kann im Rahmen einer Zwangsvollstreckung Prozesskostenhilfe bewilligt werden?

Kommt es zu einer Zwangsvollstreckung, kann der Gläubiger Prozesskostenhilfe beantragen. Die Bewilligung setzt voraus, dass der Antrag bei den zuständigen Gerichten eingeht. Hier wird unterschieden zwischen dem Vollstreckungsgericht zur Vollstreckung von Vermögensrechten, dem Grundbuchamt für die Vollstreckung von Grundstücken, dem Amtsgericht für das Verfahren einer Zwangsversteigerung sowie dem Prozessgericht für die Vollstreckung von Handlungen. Die Aussicht auf Erfolg ist individuell und nicht eindeutig zu benennen. Wer finanzielle Hilfe im Rahmen von Prozesskosten benötigt, sollte einen Fachanwalt konsultieren.

Verjährung einer Zwangsvollstreckung

Wann gilt eine Zwangsvollstreckung als verjährt?

Die Zwangsvollstreckung kann im Zeitraum von 30 Jahren nach Erlangung des Titels erneut betrieben werden. War die Beitreibung in diesem Zeitraum nicht erfolgreich, gilt der Titel als verjährt und die Vollstreckung ist nicht mehr möglich.